…das heißt, diese Nacht wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt.
Wie das richtig geht, zeigen unsere Freunde Kröt und Schuhuu bei ihrem Nachbarn dem Dachs. Wir haben dazu einen Brief bekommen…
Gerade eben habe ich auch noch eine eulige Nachricht von den beiden bekommen:
Liebe Leoni, lieber Schnitter!
Wenn ihr diesen Brief liest, schlafen wir beide vermutlich noch tief und fest.Es tut mir leid, dass wir euch gestern Abend nicht mehr wie versprochen besuchen konnten, um eine neue Waldgeschichte zu erzählen. Wir hatten schon alles gepackt, einen Kuchen gebacken und sogar Kröts Lieblingsdecke lag schon im Koffer. Aber gerade als wir aufbrechen wollten, stand der dicke Dachs von nebenan vor der Tür und fragte ob wir ihm helfen können.
“Gerne, wobei denn?” wollte Kröt wissen. “Ich muss die Uhr umstellen”, antwortete der Dachs. “Aber ich bin zu klein.” “Die Uhr umstellen? Kein Problem für mich! Ich bin stark!” behauptete Kröt selbstsicher und machte als Beweis auch gleich ein paar Liegestütze. “Siehst du? Ich schnaufe nicht einmal! Lass uns gehen!”. Und so machten wir uns auf den Weg nach nebenan.
Beim Dachs angekommen führte er uns zuerst in sein Wohnzimmer. Es war recht gemütlich, mit bequemen Stühlen, einem großen Tisch aus Holz und einem Boden aus weichem, grünem Moos. “So,” rief Kröt entschlossen und sah sich im Zimmer um, “Wo steht denn jetzt deine Uhr? Und wohin soll ich sie schieben?” Ich war auch ein wenig verwirrt, denn genau wie Kröt hatte ich eine große, schwere Standuhr erwartet, die wir zu dritt etwas verschieben sollten. Aber es gab keine Standuhr. Nur eine kleine, hölzerne Uhr hing an der Wand neben dem Sofa. Die Uhr hatte ein großes, glänzendes Messing-Pendel, das mit einem lauten “Tick TACK Tick” immer hin und her baumelte. Es war eine schöne Uhr, aber um sie umzustellen brauchte man doch sicherlich keine Schildkröte? “Lieber Herr Dachs,” fragte ich und sah ihn an, “deine Uhr ist gar nicht so schwer. Ich kann sie auch alleine für dich umhängen. Wo möchtest du sie denn haben?”
Der dicke Dachs sah ein wenig verwundert aus. (Hast du schon einmal einen verwunderten Dachs gesehen? Die können wirklich sehr, sehr lustig gucken!) “Verschieben? Umhängen? Was..? Wieso…?” Er schüttelte den Kopf. “Nein, ich wollte sie um…” Mitten im Satz brach er plötzlich ab und fing aus vollem Hals an zu lachen. “Ooooh, jetzt verstehe ich! Umstellen! Ihr wollt sie umstellen! Entschuldigt, entschuldigt! Das tut mir leid!” japste er und hielt sich den Bauch. “Nein, die Uhr soll bleiben wo sie ist. Mir gefällt sie da an der Wand. Ihr sollt mir nur helfen die Uhrzeit umzustellen. Die Zeiger verschieben. Heute kommt doch die Sommerzeit!”
Jetzt verstanden Kröt und ich gar nichts mehr. “Sommerzeit? Was ist denn das? Wie kann man denn die Uhrzeit verstellen? Die Sonne sagt uns doch wie spät es ist und die kann niemand auf der Welt verschieben.”
“Da habt ihr recht” antwortete der Dachs. “Hier im Wald braucht man keine Sommerzeit. Uns genügt die Sonne. Wenn sie aufgeht und es hell wird, dann stehen wir auf. Wenn sie untergeht und es dunkel wird, dann gehen wir schlafen. Oder genau anders herum, wie bei dir, liebe Schuhuu. Aber das ist nicht überall so.
Bei den Menschen zum Beispiel, da gibt es nicht nur Morgen, Mittag, Abend und Nacht. Die Menschen teilen ihren Tag in Stunden. Und dann sehen sie aus dem Fenster, und wenn die Sonne aufgeht sagen sie Dinge wie “Oh, es ist schon sieben Uhr morgens!” Dann stehen sie auf, putzen sich, essen etwas und tun dann was immer sie in ihren Städten so tun. Irgendwann, wenn die Sonne wieder untergeht, dann sehen sie aus dem Fenster und sagen “Oh, es ist ja schon zehn Uhr abends!” Dann gehen sie wieder zurück in ihren Bau, essen etwas, putzen sich und legen sich schlafen. Jeden Tag, immer um die gleiche Zeit.”“Aber wie kann das funktionieren?” fragte ich. “Die Sonne geht doch jeden Tag anders auf! Und die Tage sind immer unterschiedlich lang! Im Sommer länger, im Winter kürzer. Das weiß doch jeder Igel!”
“Und wieder hast du recht, Schuhuu.” nickte der Dachs. “Aber bei den Menschen funktioniert das anders. Aufstehen zum Beispiel bedeutet “sieben Uhr”. In die Schule gehen heißt “acht Uhr”. In den Bau zurück kommen und Abendessen ist “sechs Uhr”. Aber die Menschen mögen die Sonne lieber als die Dunkelheit. Deshalb haben sie Sommerzeit und Winterzeit erfunden. Und das funktioniert so:
Im Sommer geht die Sonne ganz früh auf. Die Tage sind sehr lang, weil sie ja auch spät wieder untergeht. Damit die Menschen auch ganz viel von der Sonne haben und nicht den ganzen Tag verschlafen, sagen sie also, wenn die Sonne aufgeht “so, jetzt ist sieben Uhr” und krabbeln aus den Betten.
Das funktioniert auch ganz gut. Aber im Herbst und im Winter werden die Tage kürzer, denn die Sonne geht ja später auf. Und wenn die Menschen jetzt aufstehen wie sie es gewohnt sind, aus dem Fenster sehen und sagen “so, jetzt ist sieben Uhr!”, dann stehen sie plötzlich im Dunkeln. Denn die Sonne ist ja noch weit, weit weg und geht noch lange nicht auf.
Also sagen die Menschen dann einfach: “Gut, dann ist jetzt eben nicht sieben Uhr. Dann ist es erst sechs Uhr!” Und dann gehen sie wieder is Bett und schlafen noch eine Stunde. Und wenn sie dann aufwachen und sagen “So, JETZT ist es sieben Uhr!”, dann ist auch die Sonne wieder da.
Das funktioniert ganz gut im Winter. Aber im Sommer werden die Tage ja wieder länger! Irgendwann stehen die Menschen auf, sagen “So, jetzt ist es sieben Uhr” und merken: “Huch, es ist ja schon ganz hell! Ich habe den ganzen Morgen verpasst! Wenn die Sonne früher aufgeht, dann ist ab jetzt auch früher sieben Uhr!”
Dann nehmen sie ihre Uhren, stellen nachts die Zeiger vor, und wenn sie am nächsten Morgen geweckt werden ist es eigentlich erst sechs Uhr. Aber sie sagen “Oh, es ist schon sieben Uhr” und wenn sie aus dem Fenster sehen gehrt gerade eben die Sonne auf”Eine Weile herrschte nachdenkliches Schweigen im Dachsbau. Kröt grübele so angestrengt dass er tiefe Denkerfalten auf der Stirn hatte. Und auch ich zählte im Gedanken meine Flügelfedern durch und murmelte leise vor mich hin.
“Ganz ehrlich…” brach Kröt als erster das Schweigen, “ich verstehe das nicht.
Seht mal, mein Bauch zum Beispiel. Der knurrt jeden Morgen, wenn ich Hunger habe. Immer um die gleiche Zeit. Dann weiß ich, es ist Zeit aufzustehen und etwas zu essen. Auf meinen Bauch kann ich mich verlassen.
Und mein Kopf, der sagt mir wenn ich müde werde. Dann lege ich mich in meine Kuhle, mache die Augen zu und schlafe ein. Auf meinen Kopf kann ich mich verlassen. Aber die Menschen…
Sagen die ihrem Bauch dann: So, jetzt ist Sommer, du hast jetzt eine Stunde Früher Hunger? Und sagen sie ihrem Kopf: So, du wachst jetzt einfach eine Stunde früher auf? Und bist eine Stunde früher müde? Und sagen sie im Winter wirklich ihrem Bauch: Nein, du hast noch keinen Hunger? Und du, Kopf, du bist auch noch nicht müde?” Ungläubig sah Kröt den Dachs an.“Und was ist mit den Abenden?” wollte ich vom Dachs wissen. “Wenn die Menschen doch morgens früher aufstehen und immer alles gleich lang machen… dann sagen sie doch “So, es ist Zeit zu schlafen”, obwohl draußen noch ganz lange die Sonne scheint? Und wenn sie im Winter länger schlafen, dann geht die Sonne doch trotzdem früher unter! Sagen sie dann wirklich “Oh, es ist schon dunkel! Aber ich muss noch ganz lange wach bleiben, länger als im Sommer, nur damit ich morgen früh länger schlafen kann?”
Der Dachs zuckte ratlos mit den Schultern. “Ja, das tun sie tatsächlich. Ich habe sie dabei beobachtet.”
“Aber warum?” riefen Kröt und ich, wie aus einem Mund. “Es tut mir leid, meine Freunde. Aber ich weiß es selber nicht. Die Menschen machen viele seltsame Dinge und bei den meisten Dingen die sie tun bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu wundern. Aaaaaaber…”
Er stand auf und ging zu seiner Wanduhr. “Auch wenn wir diesen seltsamen Brauch nicht verstehen, ich finde ihn trotzdem interessant. Und deshalb habe ich euch beide gebeten mir dabei zu helfen die Uhr umzustellen. Ich möchte nämlich, genau wie die Menschen, die Uhr eine Sunde vor stellen, damit der Tag schon früher beginnt.”Er stellte sich auf seine Hinterbeine und versuchte mit den Vorderpfoten die Uhr zu erreichen. “Seht ihr das Problem? Ich bin zu klein! Ich komme gar nicht an die Zeiger. Die sind viel zu hoch oben. Und da dachte ich, weil du, liebe Schuhuu, doch fliegen kannst….”
Jetzt endlich verstand ich! “Aber gerne, Herr Dachs!” Mit einem kräftigen Flügelwusch setzte ich mich oben auf den Rand der Uhr und sah zum Dachs herunter. Kröt, der natürlich mithelfen wollte, stemmte sich gegen das große Pendel. “Muss das anhalten oder soll das weiter ticktack machen?”
“Nein” antwortete der Dachs, “das Pendel muss weiter pendeln. Und dann muss Schuhu den großen Zeiger ein ganzes Mal im Kreis drehen bis er wieder an der gleichen Stelle steht. Dann ist der kleine Zeiger genau eine Stunde weiter gewandert. Jaaa, genau so ist es richtig! Vielen lieben Dank, ihr beiden!”
Zu dritt gingen wir ein paar Schritte zurück um unser Werk zu betrachten. “Schön. Das wäre geschafft”, freute sich Kröt. “Aber… was bedeutet das jetzt?”
Dachs sah auf die Uhr. “Nun ja. Für die Menschen ist es jetzt drei Uhr nachts. Und wenn sie morgen früh aufstehen und aus dem Fenster sehen, dann sind sie müde, verschlafen und grummelig, denn sie haben sich heute Nacht selbst eine ganze Stunde gestohlen und zu wenig geschlafen.”
“Oh” sagte Kröt und schüttelte den Kopf. “Wenn das so ist, dann werden Leoni und Schnitter wohl schon schlafen. Und dann sollten wir sie auch besser nicht wecken. Lass sie uns ein anderes Mal besuchen.“ Ich nickte zustimmend. „In Ordnung. Dann können wir uns einfach noch ein bisschen über diesen seltsamen Brauch mit der Sommerzeit amüsieren.
Wisst ihr… ich glaube Menschen sind die komischsten Tiere der Welt.”
Liebe Schuhuu… Was sollen wir dazu sagen?
Genau so sinnlos, wie dieser Brauch für euch aussieht, ist er auch für die meisten Menschen. Die eigentliche Erklärung ist natürlich etwas komplizierter, aber wisst ihr was? Sie ist trotzdem ganz großer Blödsinn. Wie Herr Dachs schon sagte: Wir Menschen machen viele seltsame Dinge aus vielen seltsamen Gründen. Und wenn mal einer mit etwas angefangen hat, machen bald alle anderen mit.
Das Beste was man in einem Fall wie diesem machen kann:
Aufstehen, aus dem Fenster sehen, grummeln, frühstücken… und sich einfach wieder ins Bett legen.
Gute Nacht, Welt!
(irgendwann Sonntag morgens – Der Schnitter)
Manu meint
Immer wieder intressant, wie aus einer Skizze das fertig colorierte Bild wird.
Gut das du mich dran erinnerst, sonst komm ich morgen zu früh oder spät. (stellen wir vor oder zurück?)
Leo meint
Heute Nacht gehts vorwärts! Wir sehen uns also morgen schon eine Stunde früher 🙂 Falls wir überhaupt eine genaue Zeit ausgemacht haben… 😉
Manu meint
Eine Zeit haben wir nich ausgemacht, aber ich meld mich wenn wir da sind. Dann wird man sich unterwegs schon treffen.
Der Schnitter meint
Dringender Nachtrag! Eulenpost 🙂
Schuhuu hat sich entschuldigt, weil es gestern Abend nicht mehr geklappt hat…
Habe mir erlaubt den Brief gleich zu veröffentlichen.
Grüße!
Eike meint
Ihr seid klasse, ihr beiden! Bringt mir hier grade ein Lächeln auf die Lippen. 🙂
Manu meint
Eine schöne Geschichte am Montag Nachmittag. Da ist die Zeit doch nicht mehr sooooo lang bis zum Feierabend.
Pantonine meint
Hihi und deswegen sind wir auch alle Freiberufler. Damit wir uns wie die Tiere im Wald benehmen können und essen und schlafen können, wie es das Herz begehrt, der Magen befielt oder der Schnabel gewachsen ist. Nie wieder Jet Lag.