Blog mal drüber nach | In den letzten Monaten hat sich „auf Social Media“ einiges verändert. So sehr auch ich Gewohnheitstier bin, so sehr ist mir bewusst, dass sich all die Netzwerke weiterentwickeln dürfen. Ja sogar müssen.
Als Künstler oder Illustrator, als Grafiker in einer Werbeagentur und auch als Social Media Manager, versuche das ständig neu einzuordnen – für meine Kunden und mich selbst. Mit einer Reihe von Texten möchte ich Euch an meinen Gedanken dazu teilhaben lassen. Eins vorweg um die Erwartungshaltung runter zu schrauben: Hier gibt’s keine echten Lösungsvorschläge. Oder vielleicht doch?
Neue Funktionen und der Druck den sie aufbauen
Videocontent. Schlüsselwort für die meisten. Er wird in den sozialen Medien nun immer präsenter, egal auf welcher Plattform man sich umschaut. Das „Vertical Video“ hat nach Instagram Reels und Facebook Stories nun auch bei YouTube in den Shorts Einzug gefunden und bittet um Konsumenten.
Woher der Druck?
Na, man soll ja mit machen. Heißt Content konsumieren und im besten Fall auch produzieren. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn wenn wir schon produzieren, dann soll es ja auch gesehen werden und gefallen. Da kommt dann aber auch noch der Algorithmus ins Spiel…
Was passiert technisch?
Was glauben wir, wie DER Algorithmus funktioniert? Ist es überhaupt nur einer? Und vor allem stellt sich die Frage: wie arbeiten wir mit ihm?
Die meisten meinen ja, sie müssten ihn austricksen, damit er arbeitet wie sie es gern hätten. Ich glaube, dass diese Annahme falsch sein muss. Egal auf welcher Plattform. Man muss sich auf ihn einstellen, einlassen, mit ihm soweit möglich arbeiten – oder es eben bleiben lassen und mit den Konsequenzen leben.
Dieser Tage bekam ich eine Grafik ausgespielt, dass es bei Instagram darauf an käme, dass nach dem Posting die treuen Follower direkt innerhalb sehr kurzer Zeit reagieren. Das wäre der Schlüssel – Danach würde der Post besser ausgespielt. Daher gab es ja eine ganze Weile auch sogenannte „Engagement Groups“ um sich untereinander zu pushen. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass meine Postings in der Zeit besser liefen als es zur Zeit der Fall wäre.
Es gehört also noch mehr dazu. Und weil ein Algorithmus auch nur Mathe ist, gehe ich davon aus, dass es noch x weitere Variablen gibt, die hier mit rein spielen. Hashtags, Relevanz, Zeitpunkt, um nur drei zu nennen.
Hat sich der Algorithmus wirklich verändert?
Nun natürlich geben die CEO jeder beliebigen Plattform regelmäßig bekannt, dass sich nun etwas ändern wird. Wo sie die Zukunft ihrer Plattform sehen und wohin die Reise geht. Bei folgender Aussage war der Aufschrei in der Community groß:
“Instagram is no longer a picture sharing app.”
Adam Mosseri, Head of Instagram, im Juni 2021
Aber hat das wirklich den Algorithmus verändert? Werden Inhalte gezielt unterschiedlich ausgespielt. Ziemlich sicher. Man sieht es als Konsument im eigenen Feed. Oder haben sich die Nutzer und Content Creator bereits so sehr angepasst an diese Aussage?
Was der Algorithmus macht, hat was mit den Nutzern zu tun. Sein Sinn und Zweck ist es ja diesen den passenden, relevanten Inhalt anzuzeigen. Nicht uns zu ärgern oder uns etwas vorzuenthalten.
Wenn er sich also ändert, passt er sich seinen Nutzern an. Hoffentlich.
Nun sind das aber mittlerweile auf fast jeder Plattform so viele, dass man selbst gar nicht mehr der Otto Normalverbraucher sein wird. Vermutlich zumindest. Wahrscheinlich sind die “alten Hasen” eben die, die sich weiterhin eine “Foto Sharing App” wünschen (und davon möchte ich mich nicht unbedingt ausnehmen).
Was passiert im Kopf?
Reichweite, Impressionen, am besten noch aufbauende oder lobende Kommentare. Das möchten wir sehen wenn wir etwas gepostet haben. Das befeuert unser Hirn mit Glückshormonen. Und davon wollen wir -natürlich- immer mehr.
In den letzten Wochen habe ich einige Videos, Podcasts und Texte von Künstlerinnen und Künstlern* gesehen, gehört und gelesen, die sich vor allem von Instagram überfordert fühlen. Vom Algorithmus, von den Anforderungen für Reichweite. Dem Mix aus Inhalten, den Instagram (scheinbar) zur Zeit bevorzugt. Vor allem der Fülle und Menge. Aber auch wie sie sich von Content (Video und andere Bewegtbilder) und Werbung überfordert fühlen – und dann haben sie noch keinen eigenen erstellt.
*Mit Künstlerinnen und Künstlernn meine ich vor allem Bildschaffende Menschen. Zeichnen, Illustrieren, Malen, Kalligrafie, Lettering. Meine Bubble eben, die vorweg damit beschäftigt ist, Bilder zu gestalten. Erst wenn diese -nach oft langer Zeit des Arbeitens- fertig gestellt sind, sind diese auch reif als Content für Instagram und Co. weiter verarbeitet zu werden.
Einige Künstler sprechen darüber, warum sie zu dem Schluss gekommen sind Instagram und teilweise ganz Social Media zu verlassen. Und damit komm ich zu der Frage:
Instagram und Facebook, TikTok, Pinterest, LinkedIn und Xing, YouTube und Twitch, Discord und Telegram…
– Auf welcher Party soll ich tanzen?
Die Auswahl der Plattform ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Und vielleicht muss man sich irgendwann eingestehen, dass man auf einer dieser falsch ist. Dass der eigene Content nicht dort hin passt oder nicht bei den richtigen Adressaten ankommt. Die Wünsche, die Ziele, dort nicht zu erfüllen und zu erreichen sind. Oder es eben NICHT MEHR sind. Das man selbst als Konsument „die Nase voll hat“.
Ich finde es ganz legitim, sich von einer Präsenz auf Social Media zu verabschieden, wenn sie nicht mehr zu einem passt. Ob auf nur einer speziellen Plattform oder auch von allen. Seien das ganz persönliche Gründe oder auch die Feststellung, die eigenen Kunden dort gar nicht zu erreichen. Warum sollte man wertvolle Zeit und Energie in etwas stecken, dass nicht dort ankommt, wo es hin soll?
Bevor man in das große Becken der Plattformen springt oder krampfhaft darin weiter schwimmen will, sollte man sich vielleicht ein paar Fragen stellen:
- Was ist Social Media für Dich? Oder was soll es sein?
- Möchtest Du unterhalten werden oder gar selbst der Unterhalter sein?
- Brauchst Du Deine ganz eigene Community oder reicht es auch Teil einer zu sein?
- Ist es nur eine Art Tagebuch Deiner Zeichnungen oder ein ganzes Portfolio?
- Wenn es ein Portfolio ist, wen möchtest Du erreichen?
- Ist es „nur ein Hobby“ (das Zeichnen oder gar Dein Engagement auf einer Plattform)? Oder möchtest Du damit Geld verdienen, Kunden gewinnen, Verkäufe generieren,…?
- Soll dann Dein Business nur durch eine Social Media Plattform laufen?
- Und wenn alles „just for fun“ ist, warum schaffen wir es dann nicht, es auch genau so zu betrachten?
Du musst mir auf keine dieser Fragen antworten.
Nicht hier in den Kommentaren, nicht auf Instagram und Co. Aber vielleicht beantwortest Du sie Dir selbst und es hilft Dir, in welcher Form auch immer.
Keiner von uns sollte sich von einer Social Media Plattform in seinem künstlerischen Schaffen einschränken oder lenken lassen. Keiner sollte seinem inneren Kritiker damit noch befeuern, dass man einem Algorithmus gefallen muss in seinem Schaffen, der auf noch viel mehr als die eigene Bubble (und wahrscheinlich eben gar nicht auf diese kleine Nische) ausgelegt ist.
Dies ist wohl mein Plädoyer für „weniger Jagd nach Zahlen“.
Einen kleinen Instagram-Tipp hab ich aber doch noch
Zurück zum chronologischen Feed!
Öffnet man die App auf seinem Smartphone erscheint immer zuerst der vom Algorithmus berechnete Feed, der “alles” enthalten kann. Vom gefolgten Hashtag, abonnierten Kanälen, Werbung und aktuell vielen vorgeschlagenen Beiträgen (“Recommended Posts”).
Seit Anfang 2022 ist es möglich neben dem vom Algorithmus generierten und sortierten Feed, auch zurück zum chronologischen Feed (hach, da werde ich ganz nostalgisch) zu wechseln. Hier werden ausschließlich abonnierte Accounts und immer der neuste Beitrag zuerst angezeigt. (Nachtrag: Leider wohl aber nur eine begrenzte Anzahl… Nunja. Irgendwie muss uns Instagram ja zur Werbung bringen. Und auch darüber könnte ich einen ganzen Artikel schreiben…)
Außerdem gibt es die Möglichkeit “Favoriten” anzeigen zu lassen. Bis zu 50 Accounts kann man so markieren und sich in diesem gesonderten Feed anzeigen lassen.
Während man zwischen “Gefolgt” und “Favoriten” oben links über das Instagram Logo wechselt, kommt man zurück zum Algorithmus-Feed unten links über das Haus Icon.
WICHTIG: Man muss immer händisch zum chronologischen Feed wechseln! Auch wenn das Icon einen Haken zeigt, ist er nicht automatisch ausgewählt. Das ist KEINE Einstellung!
Leider ist diese Funktion noch nicht bei allen Nutzern ausgespielt und damit (noch) nicht für alle nutzbar. Ein Tipp im Netz kursiert: Im Browser Instagram aufrufen, sich anmelden und dort auf das Logo zu klicken. Bei mir passiert dann – nix. Aber ich habe die Funktion in der App ja auch bereits. Und ich liebe sie.
Das hat zwei Gründe: zum einen natürlich sehe ich dort die Profile, die ich abonniert habe. Zum anderen wird dort (aktuell) keine Werbung ausgespielt und dort findet sich insgesamt weniger Video-Content – was das Betrachten entspannter macht. Je nach meinem Befinden wechsle ich zwischen den Feeds um durch Beiträge zu scrollen. Das hat “das Erlebnis Instagram” wieder viel schöner gemacht.
Nachtrag Feed-Varianten
Wer das Feature des chronologischen Feed über „Gefolgt“ hat, sollte sich nicht wundern, dass er im Hauptfeed nun vor allem Vorschläge und fremde Accounts zu sehen bekommt.
Warum?
Insta nutzt das natürlich ganz bewusst so: Zum einen damit es Dir mehr „Neues“ (und ja, auch mehr Werbung) zeigen kann, ähnlich der Explore Seite. Zum anderen muss es ja auch Langeweile vorbeugen – damit meine ich, wären in diesem Hauptfeed auch alle abonnierten Accounts, bräuchte man den chronologischen nicht. Man würde die Inhalte ständig doppelt sehen. Und auch das fänden wir mit der Zeit langweilig (Doom Scrolling lässt grüßen). Wir finden ja Cross Posting zwischen den Plattformen schon doof, wenn wir z.B. auf Facebook und Instagram ein und denselben Inhalt sehen.
Ist also alles richtig, wenn beim Öffnen der App eben NICHT vor allem abonnierte Posts erscheinen.
Da aber zum einen noch nicht alle Nutzer das Feature des chronologischen Feed haben oder (und das kam in den letzten Tagen in der Kommunikation mit Euch deutlich raus) viele gar nicht wissen, dass sie über „Gefolgt“ nur abonniertes sehen, lässt Rückschlüsse ziehen – zum Thema Impressionen und Reichweite.
„Warum spielt Instagram nur noch an 1.000 meiner 10k Follower meine Inhalte aus?“
(eigentlich würde ich hinter diese Aussage/ Frage gern noch ein “Mimimimi” stellen…so oft wie ich das gelesen habe in den letzten Monaten) Antwort: Weil Deine Follower vielleicht nicht verstanden haben, dass sie dafür vor allem den chronologischen Feed nutzen müssen um Deine Beiträge zu sehen.
Erzähl’s ihnen! Erklär es ihnen! Mach ein paar Stories zu „How to Instagram“.
Und wer seinen Hauptfeed etwas aufpeppen will, um mehr für sich persönlich relevante Inhalte angezeigt zu bekommen, dem empfehle ich das Folgen von Hashtags. Die haben mir schon des öfteren die Bubble wunderbar erweitert.
Und… Nur so am Rande, wer für seine eigenen Postings ein paar Hashtags immer wieder verwendet, wird so auch immer wieder Accounts die diesen Hashtags folgen ausgespielt… Haben die Postings dann einen gewissen Wiedererkennungswert, wage ich einfach mal zu behaupten, sorgen sie über kurz oder lang auch zu interessierten, neuen Followern.
Instagram im Browser
Außerdem finde ich es immer wieder schön, Instagram auch mal am Computer im Browser zu öffnen. Dort gibt es die Option der verschiedenen Feed-Varianten nicht, aber es werden auch andere Beiträge angezeigt.
Probiert’s mal aus!
In den nächsten Wochen möchte ich weiter auf diesen Themen rund um Social Media, insbesondere Instagram, rum denken, meine Ideen und Gedankengänge niederschreiben und so mit Euch hier im Blog teilen.
Als nächstes lest Ihr: Die Quadratur des Kreises – wie ein Bildformat unser künstlerisches Schaffen beeinflusst
Und ganz zum Schluss, der Kraken mit den Glücksgefühlen – ganz ohne Smartphone:
Birgitt Wöllner meint
Liebe Leonie,
ich habe eben reichlich Zeit hier, auf deiner Seite verbracht. Dabei habe ich wirklich schöne Arbeiten von einer sehr begabten Künstlerin gesehen. Gefunden habe ich Dich, als ich nach Erfahrungswerten mit Horadam Aquarellfarben gesucht habe – ich durfte einiges lernen in deinem Blog, vielen Dank dafür! Der Grund, warum ich Dir schreibe ist, dass ich bei dir die Sache mit Insta und diesem verflixten Algorithmus endlich verstanden habe. Ich habe auch sofort auf den chronologischen Feed umgeschaltet und bin begeistert! Vielen Dank, für die Erleuchtung 😉 Ps.: ich bin immerhin schon 56 Jahre alt und social Media gehört nicht ganz zu meinen Kernkompetenzen… 😉
Wenn es Dir recht ist, werde ich Dir auf Insta folgen und die Leute mal ermutigen, bei Dir nachzulesen, wie man mit dem Algorithmus umgeht… 😀
Und, falls Du mich etwa fragst, was mir am allerbesten hier gefallen hat – es waren die singenden Nordseemöwen! <3
Liebe Grüße aus Bayern,
Birgitt
Danilo meint
Digital ist mittlerweile sehr viel möglich;)
Alles Gute
Danilo