…oder die Frage, wie das Bildformat einer Social Media Plattform unsere Kunst beeinflusst.
Blog mal drüber nach | Teil 2 meiner Gedanken zu Social Media und Kunstschaffenden. Im ersten Teil ging es um den Algorithmus, die Änderungen durch immer mehr Videocontent. Außerdem habe ich über die Feed-Auswahl bei Instagram geschrieben und wie diese funktioniert. Ihr könnt es gern nochmal nachlesen. Hier geht es nun weiter um die beliebte App und ihr (früheres) Markenzeichen:
Das Quadrat.
Das war lange das einzige Bildformat, das Instagram ermöglichte. Mittlerweile kann man auch Bilder im Hoch- und Querformat auf Instagram posten. Doch in der Ansicht des Profil-Rasters werden sie weiterhin auf das Quadrat zugeschnitten.
Außer es wären Reels oder IG TV und diese unter ihrem eigenen Register… aber diese sind ein ganz anderes Thema auf das ich sicher auch nochmal zurück kommen werde.
“Ich male nicht für Instagram.“
Zumindest rede ich mir das brav immer wieder ein. Und doch hat mich der Gedanke, wie man ein „Work in Progress“ und vor allem eine fertige Illustration für die Social Media Plattform fotografisch in Szene setzt, schon oft begleitet und während des Malens beeinflusst.
In letzter Zeit wieder öfter und so möchte ich dazu ein bisschen was nieder schreiben.
Fangen wir vorne an…
Seit über 20 Jahren arbeite ich in einer Werbeagentur. So lange mache ich für verschiedenste Produkte und Dienstleistungen Werbung. Suche oder erstelle Bildmaterial und schreibe Texte. Alles soll natürlich eines: Aufmerksamkeit bekommen und Verkaufen. Dafür macht man schließlich die Arbeit, die Werbung. Auch oder gerade auf Social Media Plattformen.
Je nach Thema fällt mir das schon mal schwer, entweder weil ich einfach (noch) nicht so sehr in diesem Thema bin und mich noch einfinden muss – oder aber weil mich die Argumente einfach nicht überzeugen. Da bin ich schnell ein ziemlicher Skeptiker, was aber aller meistens zu wirklich guten Gesprächen führt. So oder so findet sich am Ende immer eine Lösung für gutes Marketing und gute Werbung, egal ob nun gedruckt oder online.
Ganz oft gilt: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte!
Als ich vor etwa fünf, sechs Jahren, begann mich mit dem Thema Blog und Bloggen, vor allem auch in Bezug auf Social Media, mehr zu beschäftigten als „einfach nur mal machen“, ging es auf vielen weiteren Accounts, die sich oft auch „nur“ um ein Hobby drehten, schon sehr um die Professionalisierung. Aufmerksamkeit bekommen, für das was man tut, andere Menschen erreichen und damit dem Werben für sich und sein Hobby!
Wo fängt das an mit dem professionellen Auftritt?
Seien wir ehrlich, die meisten von uns haben ihre ersten Erfahrungen mit Instagram nicht gemacht um einen Brand-Feed aufzubauen oder etwas zu verkaufen. Die meisten waren neugierig auf das, was andere machen, Sonnenuntergänge im Urlaub, das leckere Essen, Konzerte, Hobbys und so weiter. Es ging darum am Leben der anderen (Freunde) teilzunehmen. Und im Umkehrschluss andere am eigenen teilhaben zu lassen. Das war der Beginn von Social Media.
Doch über die Jahre, Instagram ist nun schon 12, hat es sich allerdings entwickelt. Zu einem Marketing-Instrument – und das nicht nur für Unternehmen. Irgendwie sind wir doch fast alle, zumindest hin und wieder, der eigenen Inszenierung verfallen.
Die Professionalisierung begann bei mir als X Accounts, Coaches und Co. erklärten, was Du alles benötigst um ein tolles Foto für Deinen Blog oder eben Instagram zu machen. Wenn es darum geht, Dein Auftreten (also auch das Deines Feeds) optisch zu vereinheitlichen, Dich homogen und doch mit Wiedererkennungswert zu präsentieren. Dich selbst als Marke zu positionieren.
Brand Recognition.
Klingt logisch und wirklich, es funktioniert auch. Man muss dieses Marketing oder Branding nur eben auch (durchziehen) wollen…
Damals zogen wir also los um Fotohintergründe zu besorgen, damit unsere Bilder immer den gleichen Look haben. Fototapete, Holzbretter, Stoffe, und so weiter. Dazu mitunter noch ein bisschen Equipment für das beste Licht etc pp. Darauf das „Produkt“ (das fertig gemalte Bild) zu präsentieren war das Ziel.
Aber nur das Bild ist ja langweilig, da muss noch was dazu. „Photo Props“ -zu Deutsch Requisiten– wurden gesucht, gefunden und in allen möglichen Varianten um das eigentliche Bild drapiert. Nicht immer mit einem realen Bezug zum Bild, oft auch einfach Blumen oder Blätter oder manchmal auch mal ganz abwegiges.
Ich erinnere mich, dass ich eine Weile sämtliche Stationery Produkte gekauft habe, Hauptsache sie waren Gold… es sollte meinen Account-Namen untermalen. Genutzt habe ich sie… selten. Für Fotos, wie auch im echten Leben.
Hier rechts ein Beispiel mit goldenem Washi Tape, einer schicken Foldback-Klammer und noch dazu auf Geschenkpapier als Untergrund. Mit der Feder habe ich allerdings schon vorher geschrieben. Immerhin.
Versteht mich nicht falsch! Ich mag hübsche Bilder und Fotos, ich mag schöne Anordnungen ob fein säuberlich oder augenscheinlich willkürlich arrangiert, ich mag es wenn sich jemand Gedanken macht wie er etwas in Szene setzten kann, ich mag Flat Lays. Alle sind sie auch eine Hommage daran, dass man sein Bild, sein Werk, ehrt, indem man es in Szene setzt. Aber manchmal würde ich auch einfach gern das gemalte Bild gut sehen. Ohne Schnick und Schnack.
Aber natürlich habe ich mich auch immer wieder an Flat Lays versucht und zeige hier ein paar der eher akkurat angeordneten Beispiele:
Die Quadratur des Kreises oder eher die Krux des Quadrates?
Bleibt für mich die Frage: was hat das aus uns und unseren Bildern gemacht?
Aus den Zeichnungen, Aquarellen, Illustrationen und Letterings? Wenn sie in das Format des Quadrates passen sollen?
Was ist das Beiwerk und was verdient eigentlich unsere Aufmerksamkeit? Wie male ich selbst und wie betrachte ich Bilder von anderen Künstlern durch “die Instagram Brille”?
Vor allem aber: Wie sehr bestimmt der Gedanke an das im Anschluss zu machende Foto bereits den künstlerisch schaffenden Prozess?
So viele Fragen, ich weiß. Oft habe ich mich bei dem Gedanken ertappt: „Oh, das hab ich aber zu (oder nicht) mittig auf dem Blatt gezeichnet, das ist dann später doof, weil so viel Weißraum drum herum ist, wenn ich es fotografieren will.“ Oder „Hmm, die Anordnung ist zu sehr im Hochformat, da muss ich später viel links und rechts hin legen, damit es im Quadrat wirkt.“ Oder „Schöne Doppelseite im Skizzenbuch – aber wie wird im Posting?“.
Bild mit recht viel Weißraum auf der linken Seite
Bitte “Wischen” für die Gesamtansicht der Doppelseite aus dem Skizzenbuch
Lustig, wenn man bedenkt, dass das an sich rein gar nichts über das entstandene Werk aussagt. Nichts darüber ob es gelungen ist, die Bildidee mit nimmt, die Bildaufteilung stimmig ist, die Technik geklappt hat, wie lange man daran gearbeitet hat oder ob es einfach nur schön ist. Es muss im Quadrat wirken! Noch dazu in einem kleinen auf einem Smartphone!
Die Platzierung schon auf dem Blatt
Oft habe ich Bilder / Papier (eigentlich unnötig) zu geschnitten (auch später am digitalen Bild), damit das Motiv dichter am Rand ist. Einige Male habe ich mich sogar regelrecht gequält um eine Zeichnung dicht an den Papierrand zu malen, damit das fertige Bild auf dem Klemmbrett (ohhh Klemmbretter!) dann gut aussah – obwohl man es so dicht an der Klammer niemals gut hätte malen können…
Ein paar Mal habe ich überlegt per Bildbearbeitung in Photoshop die Zeichnung auf dem Blatt zu verschieben… Dann könnte ich auch gleich ein fertiges Mock Up nutzen…
Details und wie sie sich verlieren
Allerdings gibt es auch Motive oder Techniken, die eh nie so richtig ihre Wirkung entfalten können auf einem kleinen Foto auf dem Smartphone. Weil zu viele Details verloren gehen, schon durch den “Betrachungsabstand”, weil zu viel Info auf das Quadrat muss. Zu viel Info, die der Betrachter und Nutzer der App beim drüber scrollen auch noch aufnehmen muss.
Wir merken uns: Umso plakativer ein Motiv und weniger Details, desto einfacher kann es der Betrachter erfassen. Auch beim doomscrolling. Vielleicht.
Klarer Vorteil für Skizzen und Zeichnungen, die direkt plakativ wirken und dadurch den Blick auf sich ziehen. Schade für detailreiche Illustrationen, in denen unheimlich viel Zeit und Aufwand steckt, die in den App mitunter verschwinden.
Umgekehrt kann das einem auch mal entgegen kommen. Umso kleiner das eigentliche Bild auf dem Foto ist, desto mehr verlieren sich auch kleine Fehler und Patzer im Bild. Vergessene Hilfslinien verschwinden. Mit einem geänderten Aufnahmewinkel verschwindet der Fehler in der Perspektive. Schärfentiefe macht ein Bild nicht nur interessant, es fokussiert den Blick auf das Wesentliche – und lässt anderes, mitunter störendes, in der Unschärfe verschwinden. Und so weiter.
Was könnte uns das einfacher machen?
Ein Block oder Blatt im Format des Quadrates!
Klingt irgendwie logisch, oder? Und ja, da haben mittlerweile viele Hersteller entsprechend drauf reagiert. Das Quadrat als beliebtestes Format zieht ein! Allerdings warum? Nicht weil wir alle so gerne im Quadrat malen oder zeichnen würden (wobei es ganz sicher einige gibt, das möchte ich nicht absprechen – und es gibt auch Motive die dafür prädestiniert sind auf ein Quadrat gemalt zu werden). Nein, es ist einfach „instagramable“. Praktisch in der Nutzung auf Instagram, tja. Und natürlich erklärt Dir das auch jeder Hersteller oder Verkäufer und natürlich hat er damit auch Recht. Irgendwie.
Ratet doch mal wie viele quadratische Formate sich in diesem Stapel aus meinem „Vorrat“ verbergen?!
Daraus folgt “Verkaufsargument: Instagramable“
Es geht aber an mancher Stelle noch weiter und wird -aus meiner Sicht- schon ein bisschen ad absurdum geführt. Denn wenn das Verkaufsargument „instagramable“ dem eigentlichen Nutzen eines Produkts voran gestellt wird, sollte man sich manchmal fragen, ob das nötig ist. Ich meine, wir lassen uns ja eh alle viel zu gerne zu etwas hinreißen, dass wir so wahrscheinlich gar nicht unbedingt gebraucht hätten?!
Benötige ich auf Quadrate zugeschnittene Blätter oder kann ich das im Zweifel selbst so zuschneiden? Wie sind die Kosten pro Quadratmeter für das Papier in den unterschiedlichen Formaten und wie ist damit das Preisleistungsverhältnis?
Benötige ich wirklich so viele Requisiten für meine Fotos oder reicht mein Lieblingspinsel dafür nicht doch aus? Muss er dabei besonders toll aussehen oder sollte er nicht vor allem ein guter Pinsel sein, damit ich ihn auch in seiner eigentlichen Bestimmung nutze? Ein Pinsel, der zu mir und meiner Technik passt?
Nochmal: Versteht mich nicht falsch! Ein schöner Pinsel (Schere, Mischpalette,… what ever) ist toll, denn mit Dingen, die uns gefallen arbeiten wir alle lieber.
Als Anekdote: Ich hab ‘nen ganz tollen Kochlöffel geschenkt bekommen, aus Holz. Form, Größe und nicht aus Plastik – Perfekt. Auch echt hübsch, instagramable. Aber: Selbst nach zwei Mal schleifen, bleibt der Stiel rau, immer bekomme ich Gänsehaut, wenn ich ihn in die Hand nehme. Damit ist er für mich fast untauglich. Für ‘nen Food Blogger wäre er traumhaft, er müsste ja nur hübsch im Bild liegen.
Auch Papier im quadratischen Format hat seine Daseinsberechtigung. Auch ich male, ab und an, auf ein quadratisches Stück Papier oder in mein kleines Skizzenbuch.
Doch man kann darauf malen wie auf jedem anderen, gleichwertigen Papier in einem andern Seitenverhältnis. Man kann ein quadratisches Motiv darauf malen, oder etwas Kreisrundes wie zum Beispiel Blumenkränze. Aber auch ein starkes Querformat, bleibt eben nur Weißraum übrig.
Gedanken Karussell anhalten!
„Ich male nicht für Instagram!“. Die meisten in meiner Bubble malen nicht mal für ein kleines Business. Nein, die meisten malen eigentlich für sich. Ihr Hobby. Es auch noch über Social Media zu veröffentlichen ist doch erst der (über)nächste Schritt. Der Punkt an dem wir anderen stolz zeigen wollen, was wir erschaffen haben, an dem wir im „Foto Tagebuch Insta“ festhalten können wie weit wir seither gekommen sind, wie wir uns und unsere Technik oder auch unsere Bildideen weiterentwickelt haben.
Also raus aus dem Spiel in dem wir ständig Neues brauchen um noch tollere Bilder (und Fotos!) zu schaffen, die noch mehr Herzchen, Likes und Kommentare bekommen! Raus aus dem Spiel, dass ein Bild nur gut ist, wenn es eine hohe Reichweite erzielt.
“The act of creating is more important than the result.“
– Unbekannt
Der Prozess ist wichtiger als das was am Ende dabei heraus kommt. Und wahrscheinlich sollten wir uns das alle immer mal wieder vor Augen führen, wenn wir ein Bild auf Instagram posten, dass ein eigenes Werk zeigt. Es geht um die Erschaffung eines Werkes, das Festhalten dessen – aber es sollte nicht darum gehen, wie groß seine Reichweite einmal sein wird. Denn diese KPI sagen rein gar nichts über das Werk oder den Künstler und seine Gedanken dazu aus.
Wirklich losgelassen habe ich das alles immer noch nicht, doch einige Themen unserer OffroadArtChallenge im letzten Jahr haben wir schon viel Anstoss gegeben um mich immer wieder und immer mehr davon zu lösen „für das Instagram Foto“ zu zeichnen, sondern wieder mehr „einfach so wie es aufs Blatt möchte“.
Das Quadrat an sich…
ist aber schon etwas feines. Die geschlossene, gleichmäßige Form. Symmetrie, Ruhe, gefestigt, stabil. Es steht als Symbol für Loyalität, Disziplin, aber auch den Körper, die Zahl 4. Eine perfekte Form. Bewusst eingesetzt etwas tolles.
Im Gegensatz zum Kreis, welcher den Himmel symbolisiert, weist des Quadrat auf die irdische Existenz, auf statische Perfektion und die daraus folgende Unwandelbarkeit hin. Es ist das Feststehende (Tod) im Gegensatz zum dynamischen Kreis (Leben und Bewegung).
Das Quadrat ist ein Symbol der Begrenzung und somit Symbol der Formgebung.
Auszug aus dem Symbollexikon derkleinegarten.de
Wie geht’s Dir damit?
Denkst Du auch so oft schon während dem Zeichnen daran, wie das Bild später auf Social Media aussieht? Eingeengt vom Quadrat? Eingeengt vom Gedanken, dass ein Bild “instagramable” sein muss, dass es Reichweite bekommen soll? Auch so viele Blöcke und Du hättest gern mehr Platz, mehr Spielraum? Und beim Betrachten von Fotos von Illustrationen: Weniger ist mehr? Oder findest Du es wichtig ein Bild mit Photo Props so richtig in Szene zu setzen?
Dabei stellt sich als nächstes die Frage (die ich so ähnlich schon im ersten Teil gestellt habe):
Was ist Instagram für Dich?
- Möchtest Du unterhalten werden oder gar selbst der Unterhalter sein?
- Brauchst Du Deine ganz eigene Community oder reicht es auch Teil einer zu sein?
- Bist Du an Interaktion interessiert oder bloß ein Zuschauer?
- Ist es nur eine Art Tagebuch Deiner Zeichnungen oder ein ganzes Portfolio?
Wenn es ein Portfolio ist, wen möchtest Du erreichen? - Ist es bei einem Portfolio wichtig, mit jedem einzelnen Post eine große Menge zu erreichen oder soll Dein Account als Ganzes etwas darstellen?
- Ist es „nur ein Hobby“ (Das Zeichnen oder gar Instagram?) oder möchtest Du damit Geld verdienen, Kunden gewinnen, …?
- Schon mal überlegt ob eine andere Plattform nicht besser geeignet wäre für Deine Wünsche und Ziele?
Du musst mir auf keine dieser Fragen antworten. Nicht hier in den Kommentaren, nicht auf Instagram und Co. Aber vielleicht beantwortest Du sie Dir selbst und es hilft Dir, in welcher Form auch immer.
Keiner von uns sollte sich von einer Social Media Plattform in seinem künstlerischen Schaffen einschränken oder lenken lassen. Keiner sollte seinem inneren Kritiker damit noch befeuern, dass man einem Algorithmus gefallen muss in seinem Schaffen, der auf noch viel mehr als die eigene Bubble und gar nicht auf diese kleine Nische ausgelegt ist. Kunst sollte nicht von KPI abhängig sein.
In den nächsten Wochen möchte ich weiter auf diesen Themen rum denken, meine Ideen und Gedankengänge niederschreiben und so mit Euch teilen.
Als Nächstes:
Teil 3 “Wenn der innere Dämon von Social Media gefüttert wird”
Bis dahin: Raus aus der Kiste! Raus aus dem Quadratdenken! (Sprecht mir nach:) Ich male nicht für Instagram! Lasst uns einfach machen, was uns gefällt und nicht einer Social Media App!
Siegrid meint
Du hast ja ein Riesen Talent;)