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Vor ein paar Tagen hatte Tanja (ihr Instagram Profil ist @poejpoej) einen Neuerwerb gezeigt: Eine Aquarelltube mit dem Namen Neutralfarbe. Und dabei geäussert, dass sie gar nicht wisse, was daran nun Neutral ist. Darauf ist mein Hirn direkt angesprungen.
…aber fangen wir woanders an als bei den Aquarellfarben.
Was sind Neutralfarben?
Unbunte Farben. Zwei Worte die zuerst nicht zusammen zupassen scheinen. Doch damit sind Farben gemeint wie Weiß, Beige, Vanille, verschiedenste Brauntöne bis hin zu Schwarz. Farben eben, die nicht bunt wirken.
Gerne taucht hier der Begriff “Farbfamilie” auf. Was allerdings nicht ganz eindeutig gehandhabt wird.
Die einen fassen damit Farben mit dem gleichen Buntton zusammen, zum Beispiel alle Rottöne: Karmin, Scharlach, Zinnober, Bordeaux und so weiter.
Die anderen fassen den Farbeindruck zusammen: Signalfarben, Prachtfarben, Pastellfarben und eben Neutralfarben.
Im Design (zum Beispiel Interior, Wand- und Wohnraumgestaltung aber auch bei Textilem) sagt man über diese Neutralfarben “Sie passen dadurch einfach zu allem”. Sie werden gern mit anderen Farben kombiniert, damit diese Akzente setzen können. Dafür benötigt es nämlich einen Kontrast in der direkten Umgebung. Neutralfarben selbst sind dezent, in ihrer Farbigkeit stark reduziert, “Muted”, entsättigt und machen dies damit möglich.
Schaut man zur Farbtheorie versteht man recht schnell wie es dazu kommt.
Kleiner Exkurs Farblehre
Wahrscheinlich hat ihn jeder schon mal gesehen, den Farbkreis. Aus Primärfarben entstehen durch Mischung Sekundär- und Tertiärfarben.
Farben, die sich hier direkt gegenüber liegen nennt man Komplementärfarben. Die lateinische Übersetzung von complementum = Ergänzung deutet es an.
Farben im Komplementärkontrast ergänzen sich.
Mischt man nun Komplementärfarben so erhält man eine neutrale Farbe. Es ergeben sich je nach gewählten Farben und Mischverhältnis Grautöne, Braun- und andere Erdfarben – die oben genannten unbunten Farben.
Anders, aber doch ähnlich: Bildbearbeitung und Drucktechnik
Als Grafiker (Mediengestalter für Digital- und Printmedien um genau zu sein) lernt man Neutralgrau anders kennen. Hier geht es entweder um einen Grauton ohne Farbstich oder um das sogenannte “Mittlere Grau” welches man auf der Graukarte zum Beispiel für den Weißabgleich des Fotografen findet.
Mittleres Grau
…ist an sich einfach erklärt: es entspricht 50% des gesamten Farbwertes. Bei der Darstellung am Monitor im Farbraum RGB (Rot, Grün und Blau) ist das zu errechnen.
Weiß = R 255 + G 255 + B 255
Schwarz = R 0 + G 0 + B 0
daraus folgt ganz mathematisch, dass das Mittlere Grau folgende Werte hat
R 125 + G 128 + B 128
Beim Drucken im CMYK Farbraum (Druckfarben sind Cyan, Magenta, Yellow=Gelb und K=Schwarz) verhält es sich genauso: Ein mittleres Grau hat 50% der maximalen Schwärze.
(Es wäre übrigens voll schlau von mir gewesen eine Graukarte mit “mittlerem Grau” bei diesen Blogfotos zu verwenden. Die Bildbearbeitung wäre einfacher gewesen um immer den gleichen Farbeindruck zu erhalten bei Fotos die leider nicht unter den gleichen (Licht-)Bedingungen aufgenommen wurden.)
Neutrales Grau
Hier ist der Wert aller Farben im Spektrum (Farbraum) gleich. R entspricht G entspricht B – Zum Beispiel 55 / 55 / 55 oder 149 / 149 / 149 und so weiter. Es entsteht ein Grauton ohne einen Farbstich, nicht kalt, nicht warm sondern neutral.
Bei den Druckfarben CMYK ist das gleich. Theoretisch zumindest.
Neutralgrau bezeichnet den Farbaufbau ohne Schwarzanteil, rein aus CMY.
Doch hier kommt es noch auf x weitere Parameter an, Papier, Druckmaschine, Farbprofile,… weswegen nicht immer alle Werte gleich sind um einen neutralen Farbeindruck zu erhalten. Auch muss mit weiteren technischen Dingen gerechnet werden: Maximaler Farbauftrag ist eben wegen der Trocknungszeit nicht 400 % sondern nur 300 %, im Zeitungsdruck sogar nur 220%. Auch sind Farbschwankungen in der Druckmaschine technisch bedingt. Daher wird mit solchen Dingen wie Unbuntaufbau (Schwarz ersetzt die Teile CMY die zusammen auch Schwarz ergeben hätten) und Unterfarbenreduzierung gearbeitet…
Aber da könnte ich nun viel zu weit ausschweifen und wir wollten doch was über die Aquarellfarbe “Neutralfarbe” erfahren. Nur eines noch was das “Problem Neutral” gut verdeutlicht: RGB wird von allen Monitoren genutzt: TV Geräte, PC, Laptop, Tablet, Smartphone. Und jedes Gerät kann anders eingestellt sein in der Farbwiedergabe. Heißt: Was bei mir hier neutral aussieht, kann bei Dir schon wieder einen Blaustich haben, weil Dein Endgerät kälter eingestellt ist. Daher der häufige Satz in gedruckten Katalogen wie auch im Onlineshop: “Die dargestellten Farben können vom Original abweichen”.
Also zurück zu “Neutraltint” als Aquarellfarbe
Das Ziel der Nutzung von Neutralfarbe in der Aquarellmalerei ist einfach gesagt: Abdunkeln und entsättigen von Farben ohne deren Farbwirkung als solches zu beeinflussen. Damit ist es der Drucktechnik und Bildbearbeitung nicht ganz unähnlich.
Durch das Mischen einer Farbe mit Neutralfarbe schwächt man diese in ihrer Buntheit ab, sie wirkt weniger strahlend. Natürlich könnte man das auch mit der jeweiligen Komplementärfarbe erreichen. Das setzt aber a. das Wissen der Farblehre, b. eine entsprechende Farbauswahl im Aquarellkasten und c. das geschulte Gefühl für das Mischverhältnis voraus.
Wie entsteht Neutralfarbe?
Die gängigen Hersteller für Künstlerfarben haben eine Neutralfarbe (englisch Neutraltint) in ihrem Sortiment.
“Traditionell ist Neutralfarbe ein leicht violettes Grau aufgebaut aus DREI Pigmenten.” Warum violett, wo es doch Neutral sein soll? Dazu später mehr.
Wie gesagt, drei Pigmente enthält eine Neutralfarbe bei den meisten Herstellern – allerdings keinen Schwarzanteil. So dachte ich zumindest, nach der Definition in der Drucktechnik.
Wer sich erinnert, bei meinem Artikel “Augen auf beim Farbenkauf” hatte ich über die Kennzeichnungen auf den Verpackungen (schaut Euch dazu auch mal die Infos von Schmincke an) und die Qualität von Farben mit nur einem Pigment geschrieben. Anhand dieser Kennzeichnungen habe ich beispielhaft folgende Neutralfarben heraus gesucht:
- Sennelier l’Aquarelle (Teinte Neutre 931) die Pigmente PB60 / PBk7 / PR209
- Daniel Smith PB29 / PBk9 / PBk10
- Serie Rembrandt (715) von Van Gogh (Royal Talens) PBk6 / PV16
- Winsor & Newton Professional Watercolour (430) PB15 / PBk6 / PV19
Die Buchstabenkürzel deuten dabei auf das Pigment hin wie es im international gebräuchlichen Colour Index angegeben wird (nicht nur bei Aquarellfarben):
- PW = pigment white
- PO = pigment orange
- PB = pigment blue
- PG = pigment green
- PBk = pigment black
- PY = pigment yellow
- PR = pigment red
- PV = pigment violet
- PBr = pigment brown
Sprich Sennelier besteht aus Blau, Schwarz und Rot, Daniel Smith aus Blau, Schwarz und Schwarz, Rembrandt aus Schwarz und Violett, Winsor & Newton aus Blau, Schwarz und Violett. Das zum Thema “Kein Schwarzanteil”. Hier werde ich wohl noch forschen müssen…
Besonders ausgebaut erscheint das “Neutrale Sortiment” bei Schmincke Horadam zu sein. Da ich auf deren Webseite die meisten Infos gefunden habe, werde ich weiteres anhand derer erklären. Übrigens findet man bei vielen Herstellern in FAQ oder den Datenblättern viele Hinweise, leider muss man bei manchen recht lange suchen.
Neutraltinte (782) besteht aus PR122 Chinacridonmagenta / PB60 Indanthronblau / PBk7 Ruß und wird beschrieben als “Traditionelles violettfarbiges Grau”, das gut geeignet ist für Untermalungen und zum Abdunkeln von Grüntönen.
Schminckes Paynesgrau (783) aus PR101 Eisenoxidrot / PB29 Ultramarinblau / PBk7 Ruß und wird beschrieben als neutraler Grauton als Mischfarbe, etwas kühler (!) als Neutraltinte.
Neutralgrau (785) aus PR255 Diketo-Pyrrolo-Pyrol / PB60 Indanthronblau / PO62 Benzimidazolon und beinhaltet als einzige wirklich keinen Schwarzanteil, sondern besteht aus komplementären Farbtönen.
Diese Farbe habe ich nicht als Aquarellfarbe sondern als Gouache in meinem Sammelsurium. Dafür besitze ich von Winsor & Newton die Neutraltint im Napf und von Sennelier die Neutralfarbe in der Tube. Diese drei seht Ihr hier im Vergleich.
Für welche Anwendung nutzt man Neutralfarbe?
Schatten, abtönen und -dunkeln. Damit Kontraste schaffen zum einen in der Helligkeit als auch in der Farbqualität (Leuchtkraft) durch das Brechen der Farbkraft. Hierbei entsteht der Qualitätskontrast.
In der Landschaftsmalerei verwendet man viele Grün- bis Gelbtöne, daraus schließe ich den hohen Violett-Anteil im traditionellen Neutralton. Die Komplementärfarben zu Grün bis Gelb sind nämlich? Die Violetttöne zwischen Blau und Rot. Genau.
Viele Künstler nutzen Neutralfarbe als direkten Schatten in ihren Werken ohne es mit einer anderen Farbe zu mischen. Zum Teil erscheinen diese Schatten dann allerdings sehr plakativ.
Manchmal ist es daher vom Farbeindruck günstiger Neutralfarbe in die verwendete Farbe hinein zu mischen oder im Nachhinein lasierend über die diese zu arbeiten.
Hier nun ein paar Beispiele über Farbmischung – mit Komplementär und mit Neutralfarben – anhand einer guten Tasse Tee.
An dieser Stelle ein Danke an Anna Moser, Illustratorin aus Südtirol, die mir wieder einmal mit viel Wissen zur Seite stand bei der Recherche zu diesem Artikel.
Und natürlich DANKE an Tanja @poejpoej – für den Trigger und noch mehr dafür, dass Du mir zum Austausch etwas von Deiner Neutralfarbe (und noch so viel anderes) geschickt hast.
Und ich so?
Bei mir ist ja bereits seit längerem der Napf mit Neutraltinte im Mini-Sketching Kit dabei. Als Schwarz-Ersatz gedacht, erfüllt sie definitiv ihre Zwecke. In meinen weiteren Kästen ist sie noch nicht vertreten – das wird sich bei der nächsten Neuorganisation derer aber gewiss ändern, denn ob als eigene Farbe oder zum Abtönen der anderen, ich komme schon ganz gut mit ihr zurecht und möchte das noch ausbauen. Das Mischen vor allem! So schön die vielen fertigen Farben der ganzen Hersteller doch sind – ich möchte das Mischen lernen und anwenden um nicht immer den großen Kasten zu benötigen. Unterwegs natürlich ganz besonders.
Für mich persönlich ist es ja ein kleiner Fun Fact, dass ich es mit Gouache viel genauer, treffsicherer schaffe zu mischen obwohl ich damit gar nicht so häufig arbeite und sie auch erst seit etwas über einem Jahr einen Platz im Sammelsurium hat.
…die Sache mit dem Schwarzanteil lässt mich noch nicht ganz los, deswegen werde ich das auf die Liste für die Creativeworld schreiben!
Noch ein bisschen was am Rande
Wer Neutralfarbe bei Google eingibt wird viel über Wohnraumgestaltung finden, über Grußkartengestaltung und das Material dazu. Aber er wird auch Artikel dazu finden wie man zum Beispiel ein Kinderzimmer neutral einrichtet – für Mädchen und Jungen. Kein Rosa-Rot, kein Blau. Viele Grüntöne mit noch mehr Grau, Grau und Grau. Ist das die Spitze des Genderwahnsinn oder das Gegenteil davon? Dazu würde mich mal Eure Meinung interessieren!
Nina meint
Liebe Leoni,
ich danke dir für diesen Artikel! Als Tanja mit erzählt hat, dass sie etwas tolles, neues entdeckt hat, was „Neutralfarbe“ heißt, konnte ich so gar nichts damit anfangen und habe wirklich sehr gespannt auf deinen Artikel gewartet. Jetzt bin ich endlich schlauer und hatte beim Lesen den ein oder anderen Aha-Moment. Du machst uns alle schlauer und dafür danke ich dir :-*
Leoni Pfeiffer meint
Liebe Nina,
Danke für das Feedback (Auch das auf den anderen Kanälen). Damit macht ihr mich ja auch immer wieder schlauer.
UND: Das Thema Neutralfarbe ist bei mir noch nicht ganz durch. Werde diesbezüglich mit dem ein oder anderen Hersteller nochmal Kontakt aufnehmen… 🙂
Carolin meint
Wow, wirklich toll zusammengefasst. Eine sehr aufschlussreiche Recherche und so anschaulich dargestellt! ? Ich danke dir, weiter so! ?
Tanja meint
Liebe Leoni,
was für eine Freude, deinen Blogbeitrag zu lesen. Nun bin ich so viel schlauer und muss sagen, dass der Kauf meiner NEUTRALFARBE ein zufälliger Glücksgriff war. Wie wunderbar du recherchiert hast und noch tiefer in die Materie eintauchen möchtest! Un vielleicht finden wir ja nochmal ein interessantes Thema zusammen.
Liebste Grüße von mir an dich du ?
Leoni Pfeiffer meint
Liebe Tanja,
ich sage noch mal Danke! …und ich glaube Nina hat da schon was für mich vorbereitet… Damit könnte ich mich und mein Sammelsurium beschäftigen 🙂
Jacqueline meint
Hi Leonie,
danke fuer den klasse Blogbeitrag! Habe super was gelernt. Dankeschoooeeen!
Claudia L. meint
Hallo Leonie,
Neutraltinte habe ich immer nur gehört, aber nie ausprobiert!
Danke für Deinen zahlreichen Infos zur Neutraltinte. Du hast diese offenbar bei Deinem Tassenbild mit den Meerjungfrauen auf nasser Farbe angewendet. Das sieht grandios aus! Nun weiß ich welche “Farbe” ich mir noch kaufen werde… : )
Leoni Pfeiffer meint
Hallo Claudia,
bei den Kaffee-Nixen ist es das “Neutralgrau” von Schmincke um genau zu sein. Das hatte ich noch nicht als ich den Artikel schrieb 🙂
Claudia L. meint
Danke für die Info Leoni!
Robert Vajcik meint
Dank Dir, liebe Leoni, weiss ich jetzt schon Einiges über Neutralfarbe… davor hatte ich keine Ahnung was das ist und wozu sie benutzt wir. Von Schmincke gibt’s neuerdings Schwarz aus Kirschkernen, etc. jedenfalls lauten die Namen so, sehen aber eher wie getöntes Schwarz aus. Ich bin Neuling in dieser Materie, aber total erstaunt und fasziniert, was es alles zu Wissen gibt, von Pinseln, über diverse Papiere, etc. ein riesiger Pool um Inspirationen zu finden!
Danke für Deinen Teil als Beitrag! Greetz from Schwiiz, RoB