Kennt Ihr Myo schon? Nicht? Dann wird es aber Zeit!
Die Schildkröte mit dem Superhelden-Cape ist unterwegs zu Familien mit an ZNM (im englischen CNM) und MTM erkrankten Kindern um für diese Krankheit mehr Aufmerksamkeit zu schaffen. Es werden Bilder gemacht und im weltweiten Netz verteilt. Dabei begleitet das Plüschtier die Familien im Alltag, bei therapeutischen Anwendungen, Arztterminen und Untersuchungen. Auch Forscher wurden schon begleitet und Myo hat unterschiedliche Tests mitgemacht.
Wir trafen ihn am letzten Wochenende in Niedernhausen zur Familien Konferenz des Vereins ZNM Zusammen Stark e.V. und des englischen Myotubular Trust. Dort waren wir als “Multifunktionshelfer” der Organisatoren unterwegs. Im Anschluss der Vorträge trafen wir also auf die kleine Schildkröte, die gerade mit einer Blume posierte. “Wer bist denn Du?” “Ich bin Myo, die myotubular traveling Turtle aus den USA.”
An dieser Stelle sollte ich wohl mal kurz erklären, was es mit dem Buchstabenkürzel auf sich hat.
ZNM = Zentronukleäre Myopathie
Das klingt erstmal nur wie ein Zungenbrecher, ist aber eine Gruppe von angeborenen, genetisch bedingten Muskelerkrankungen. Dazu kommen noch mehr Buchstabenkürzel MTM (= Myotubuläre Myopathie), DNM2, RYR1, BIN und TTN als die Untergruppen. Ein gemeinsames Merkmal dieser Erkrankungen ist, dass sich der Zellkern der Muskelfasern nicht am Rand sondern zentral in der Zelle befindet.
Was heißt das nu? Der Zellkern ist das Kraftwerk einer Zelle, soweit erinnert man sich sicher noch an den Biologie-Unterricht. Funktioniert er nicht richtig, ist der Zellaufbau gestört und Muskeln können somit nicht richtig aufgebaut werden. Kinder kommen schon mit “unreifen” Muskeln als so genanntes “Floppy Baby” zur Welt. Viele der Kinder müssen, kaum auf der Welt, künstlich beatment werden.
Und dann? Stellen wir uns einmal vor, wie es sich anfühlt, wenn man ein paar Tage krank im Bett lag und dann für die ersten Schritte wieder auf die Beine muss. Matschig, schwammig, schwach. So geht es allen Muskeln im Körper dieser Kinder. Nicht nur die Arme und Beine, besonders das Kopf halten, stehen, sitzen sind für sie schwer bis unmöglich ohne Unterstützung. Aber auch alles “in uns” hängt von unseren Muskeln und ihrer Kraft ab. Essen, Kauen, Schlucken, Verdauen. Atmen. Dein Herzschlag.
Warum ich darüber hier in meinem Kritzelkram-Blog schreibe? Bis zu diesem Wochenende kannte ich ein Kind mit dieser Genmutation. Luca ist mittlerweile 12 Jahre alt und ein Sonnenschein. Er gehört so wie er ist zur Familie und auch wenn ich immer über alle Hochs und Tiefs informiert werde, war das “große Ganze” nie so präsent.
Das hat sich nun gewendet als ich diese vielen Kinder mit ihren Familien aus ganz Europa und den USA kennen lernen durfte. Ich habe verschiedenen Vorträgen der Wissenschaftler zugehört und mit einigen Eltern gesprochen. Thiemo aus Holland zum Beispiel wusste bis kurz vor der Konferenz gar nicht, dass es noch so viele weitere Kinder wie ihn gibt.
Die meiste Zeit während der Konferenz spielte Thiemo mit seinem E-Rolli Fußball. Holland gegen Spanien. Mit Diego, dessen liebstes Hobby Hockey ist. Obwohl auch er auf einen Rollstuhl angewiesen ist und ein Tracheostoma im Hals ihn am normalen Sprechen hindert.
Mit Coralie habe ich einen Bilderrahmen gebastelt und obwohl sie aufgrund der Muskelschwäche kaum den Kiefer bewegen kann und sie nur ganz leise ist, habe ich jedes Wort verstanden was sie gesprochen hat.
Ein Junge, vielleicht zwei, drei Jahre alt, durfte zum ersten Mal in einem “Rollstuhl” sitzen. Der “Scooot” der Firma Firefly ähnelt aber viel mehr einem Bobbycar mit Handantrieb, was dem Kleinen sichtlich Spaß machte – vor allem endlich mal vor Papa abhauen und in die eigene Richtung los legen. Ganz anders war es dann, als der Junge zum ersten Mal laufen durfte: Auf Papas Füßen dank Sandalen und Tragehose mit Namen Upsee. “Papa ich kann stampfen! Jetzt mach ich die Ameisen platt!”
Worauf ich hinaus will…
ZNM ist eine sehr seltene Krankheit. Es gibt für sie bisher kein Heilmittel. Aber es gibt Studien und diese scheinen sogar vielversprechend. Diese Studien kosten Geld. Und auch um dieses zu sammeln wurde ZNM Gemeinsam Stark! e.V. gegründet.
Mir ist bewusst, es gibt noch x andere Krankheiten, für die nicht genug Geld in Forschung und Heilung investiert wird. Doch viele Familien warten lange auf eine konkrete Diagnose, oft Jahre. Bis dahin wird das Beste versucht um ein möglichst normales Leben zu führen. Und viele Familien hoffen natürlich auf eine Therapie, die den Kindern mehr Chancen gibt als nur eine Erleichterung der Symptome.
Und mit Diagnose? Als Luca diese damals bekam, erzählt seine Mutter, gab es zu MTM1 genau einen Dreizeiler mit der simplen Aussage: “Kinder mit dieser Genmutation werden selten älter als 12 Monate.” Damals war er 9 Monate alt.
Nicht nur Luca beweist uns allerdings das Gegenteil. Dies hat er seinen Eltern zu verdanken, die sich jeden Tag aufs Neue für ihn einsetzen. Seinen Ärzten, die ihn nicht aufgegeben haben und jede Schwierigkeit bei seinen nicht geringen Aufenthalten im Krankenhaus irgendwie meisterten.
Das macht sicher vor allem den Eltern der jüngeren Kinder heute viel Mut für die Zukunft – genauso wie, dass es nun diesen Verein gibt, der unterstützt bei Fragen zur Krankheit genauso wie zu Pflege, Hilfsmitteln und dem täglichen Leben. Dass es Wissenschaftler gibt, die an dieser Krankheit forschen, und dass es Menschen gibt, die der Welt davon erzählen.
Levi Gershowitz macht dies in Bildern. Sein Projekt “Living in the Light” zeigt Menschen mit seltenen Krankheiten. Er besucht sie und dokumentiert auf liebevolle Weise nicht nur die Krankheit. Er zeigt das Leben.
Toni pflanzt Sonnenblumen. Sie leidet an einer zentronukleären Myopathie, wenn auch in einer schwachen Form. Diese wurde erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Mit ihrer Webseite “The Big Sunflower Projekt” sorgte sie bereits 2001 für die Verbreitung des Themas im Internet. Seit 2011 verteilt sie die Samen, damit andere Sonnenblumen pflanzen und postet die Bilder auf ihrem Flickr Stream.
Myo, die reisende Schildkröte der CNM-MTM-Family aus den USA habt Ihr oben schon kennengelernt. Seine Facebook-Seite zeigt schön, wie Social Media funktioniert und wie es für solche Zwecke –das Bekanntmachen– genutzt werden kann.
Und hier bin ich. Habe bald tausend Worte geschrieben und doch das Gefühl noch nichts gesagt zu haben. Auch weil für das Wichtigste die Worte so oft fehlen. Für das Danke nach der Veranstaltung, von der wir so viel mitgenommen haben und dem Gedanken, dass soziales Engagement so viel wichtiger ist als jedes bisschen Social Media. Aber auch die Erkenntnis, genau dieses sorgt für Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Bekanntheit. Also schmeiss ich meine Maschinerie an, schreibe hier und verteile es soweit es geht.
Und ich werde Sonnenblumen sähen!
Wie sieht es mit Euch aus?
Linksammlung zum diesem Artikel:
- Verein ZNM Gemeinsam Stark! e.V. und auf Facebook
- Spenden für ZNM e.V. über Donate.org
- Der englische Myotubular Trust mit Patienten Register
- MTM-CNM Family Connection, Inc. USA
- Myo, die MTM-CNM Traveling Turtle aus den USA
- Fotograf Levi Gershkowitz “Living in the Light of rare Diseases”
- Sein Foto-Projekt “From Patient to Person” – Vom Patient zur Person
- The Big Sunflower Project – Toni pflanzt Sonnenplumen um Aufmerksamkeit zu schaffen!
- Tag der seltenen Erkrankungen – der letzte Tag im Februar
- Joshua Frase Foundation
In Gedenken an Emil. Fly high little fighter!
PAROLE EMIL! *
Maike Stiska meint
Hallo Leonie!
Eine schöne Botschaft! Ich hoffe Deine Sonnenblumen gehen auf und viele sehen diesen Beitrag!
Liebe Grüße
Maike
fikrije gashi meint
hallo ich spreche nicht so gut deutsch aber ich habe ein kind mit diese Krankheit mtm1 er ist 3 Jahre alt ich vollte wissen kan ich gesundes jung haben oder nicht kennen sie oder nicht danke
Leo meint
Hallo!
Bei solchen Fragen einfach an den Verein ZNM – Zusammen Stark wenden. Holger, Tracy und viele weitere im Verein stehen gern zur Verfügung. Auch in anderen Sprachen.
Alles Gute!
leoni
Joanna meint
Hallo,
vor 25 Jahren ist mein Sohn mit der ZNM auf die Welt gekommen. Er dürfte 9 Monate die Welt sehen, dann nach einer Magensondeop ist der leider von uns gegangen. Die Diagnose und sein Tod prägen bis heute mein Leben. Ich fühle mit allen den Eltern, die betroffen sind. Sie sollen, wie ich damals, daran glauben, dass ihr Kind Chance und Rechte aufs Leben hat.