[ Werbung | Buchrezension* ]
Völlig überraschend erreichte mich Post aus Mainz. Ein gut verpacktes Buch vom Verlag Hermann Schmidt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön, Ihr habt mir eine große Freude bereitet.
Klassische Technik – neu entdeckt:
Multitalent Gouache
Upgrade für Design und Illustration
Der Titel sagt bereits genau um was es im Buch von Aljoscha Blau geht, und doch macht es sehr neugierig. Denn die Technik rund um „den großen Bruder“ des Aquarell –wie Felix Scheinberger es im Vorwort benennt– ist zwar kunsthistorisch seit dem Mittelalter in der Buchillustration bekannt, trotzdem gerade im Schüler- und Hobby-Bereich sehr wenig vertreten und das obwohl sie doch so vielseitig ist.
Zum Autor
Aljoscha Blau lebt in Berlin, ist Künstler und Buchillustrator. Er „kleidet Bücher ein“ wie er in einem Interview sagte. Seine Werke findet man vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur und für viele wurde er bereits ausgezeichnet. Der 1972 in Russland geborene Autor unterrichtet neben seiner Arbeit an verschiedenen Kunsthochschulen als Gastprofessor.
Mehr zu Aljoscha Blau kann man auf seiner Webseite oder zum Beispiel im boesner Kunstportal nachlesen und ihm in einem Video über die Schulter schauen während er mit Gouache mal flächig mal ganz filigran arbeitet.
Blick ins Buch
“Multitalent Gouache“ ist in fünf Kapitel aufgeteilt. Das Buches beginnt mit dem Grundwissen zu Gouache und ihren Verwandten Aquarell, Tempera, Acryl, Pastell und Öl. Was macht die jeweiligen Farben aus, beim Malen und im späteren Bild.
Wir lernen: Gouache als deckende Wasserfarbe wurde schon früh verwendet und oft von bekannten Künstlern vor allem bei Studien genutzt, aber auch für ganze Werke wie zum Beispiel den allzu bekannten Feldhasen von Albrecht Dürer. Ihren Namen und die Form in der Tube bekam Gouache übrigens 1846 in England von den Künstlern William Winsor und Henry Newton (!).
Das Kapitel schließt mit einem Überblick über die wesentlichen Eigenschaften von Gouache: Konsistenz, Empfindlichkeit, Trockenzeit, mögliche Details, matte Oberfläche und die Veränderungen des Farbempfindes nach der Trocknung. Punkte, die man sich immer wieder vor Augen führen sollte um sich die Arbeit mit Gouachefarben zu erleichtern.
Das Who is Who der Gouache
Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Materialkunde: Farben und was sie ausmacht, wie man bereits beim Lesen des Etiketts Rückschlüsse zieht und die Vorstellung der wichtigsten Marken. Papierwahl und diverse Pinsel im Vergleich, sowie weitere hilfreiche Utensilien wie Schwamm, Messer, Klebeband, Falzbein… gefolgt von den bekannten und weniger bekannten Malmitteln wie Gummi Arabicum oder auch Irisierendes (!) und Granulierendes Malmittel.
Immer wieder stehen in der Marginalspalte hilfreiche Tipps und Hinweise. Mein liebster: Man muss nicht alles haben, nicht das teuerste, sondern für sich das passende finden – und das gelingt am Besten natürlich durch Ausprobieren.
Aller Anfang ist… leicht
Kapitel 3 beschäftigt sich mit den ersten Schritten: Papier richtig aufziehen wenn man keinen rundum verleimten Block nutzt, Einrichtung des analogen (und digitalen) Arbeitsplatzes, das erste Set Gouachefarben mit welchen Farbtönen, ein wunderbarer Ausflug in die Farblehre mit Kontrasten und Harmonien.
Und –was ich beherzigen muss– ein bisschen mehr Planen der einzelnen Etappen vom weißen Blatt bis zum fertigen Bild. Denn auch wenn Gouache den Vorteil der Wasserlöslichkeit und damit der Korrektur mit sich bringt, ist es besonders das Übermalen von Schichten, das etwas Übung (und Mut?) erfordert.
Techniken der Gouache – Kapitel 4
Für mich das spannendste Kapitel, da es einen großen Überblick verschafft, was alles mit Gouache und ein paar Hilfs- und Malmitteln möglich ist. Daher habe ich auch einiges davon ausprobiert um es zu lernen.
Neben dem vom Aquarellmalen bekannten Lavieren und Lasieren (welches mir beides mit Gouache im ersten und zweiten Anlauf nicht so leicht fiel wie gedacht) war es vor allem das Maskieren mit Klebeband und das Schneiden von Masken damit.
Was ich unbedingt noch ausprobieren möchte (sobald ich mal etwas Platz geschaffen habe auf meinem Schreibtisch…) ist das Schreiben und Zeichnen mit Feder und Gouache, wie es der Autor im Buch immer wieder zeigt. Bisher nutze ich dafür vor allem Tinten und Tuschen. Aber auch die Kombination von flächiger Gouache und anderen Techniken wie Pastell und Buntstiften reizen mich nun sehr.
Anwenden und weiterentwickeln
Darum geht es im letzten, und laut Autor wichtigsten, Kapitel. Hier wird deutlich, dass es nicht darum geht „genauso wie“ zu malen, sondern Gouache als eigenes Werkzeug zu nutzen.
Aljoscha Blau zeigt in diesem Kapitel an mehreren Beispielen wie er von Skizzen und Farbkompositionen zu fertigen Motiven gelangt. Er nimmt uns mit in die Entstehungsgeschichte seiner Buchcover und Illustrationen.
Ab hier gibt es sechs Themen, die erst das Objekt als solches beschreiben und dazu mehrere kurze Step-by-Step –viel passender benannt: Schicht für Schicht– Anleitungen zum jeweiligen Motiv: Tiere, Pflanzen, Menschen, Textilien, Objekte aus Glas, Metall und Stein, Landschaften und –zum Abschluss– Lettering und Kalligraphie.
Fazit zu „Multitalent Gouache“ aus dem Verlag Hermann Schmidt
Es kommt nicht als klassisches Fachbuch daher, ist es aber definitiv. Kein Ratgeber oder Vorlagenbuch, das man einmal durcharbeitet und dann im Regal verstaubt. Dieses Buch kann man sich allein wegen der vielen unterschiedlichen Illustrationen von Aljoscha Blau immer wieder als Inspiration zur Hand nehmen.
Natürlich ist es gänzlich in seinem Stil – alles andere wäre, nun ja, falsch.
Schon das Layout lässt mein Gestalterherz höher schlagen. Textelemente, ganzseitige Illustrationen und filigrane Zeichnungen ergeben immer ein leichtes, lockeres Bild. Niemals erschlägt eine Seite den Leser, sondern lädt zum Lesen oder auch einfach Anschauen ein.
Das Buch vermittelt das Wissen des Autors in vielen Schritten um die Eigenschaften der Gouachefarbe und ihrer Handhabung. Auch die Bilder erklären Technik und dadurch entstehende Eindrücke deutlich ohne lange Bildunterschriften. Man muss nur hin schauen um zum Beispiel Auswaschungen oder trockene Pinselstriche zu erkennen und zu verstehen.
Beim Lesen merkt man sehr gut, dass der Autor genau weiß wovon er schreibt, da er schon lange mit dem Medium Gouache arbeitet. Die Texte sind knapp und aussagekräftig, keine Wiederholungen, dafür ist die ein oder andere Anekdote zu finden. Die Bilder entsprechen alle seinem persönlichen Stil – ob nun die vollflächigen Arbeiten (die zum Teil aus bereits veröffentlichten Bilderbüchern stammen) oder die Skizzen und Zeichnungen aus feinen Linien mit dem zum Beispiel die verwendeten Materialien gezeigt werden. Das Buch kommt damit ganz ohne Fotos aus.
Der Autor schließt das Buch ab mit dem, was mir auch immer sehr wichtig ist egal ob Fachbuch oder Ratgeber: Man kann sich alles anlesen, doch wirklich erlernen kann man (eine Technik) nur, wenn man sie auch immer wieder anwendet, damit spielt und experimentiert. Manchem Material muss man eine zweite oder dritte Chance geben, bis man damit seinen eigenen Weg gefunden hat.
Das beschreibt auch ganz gut meinen Weg zur Illustration mit Gouache. Ich muss ihr und mir (!) noch ein paar Chancen geben. Noch üben, besonders meine Geduld in Bezug auf Trocknungszeiten und den Mut mit nur einem Pinselstrich viel Farbe auf bereits gemaltes zu ziehen. Aber die Ergebnisse bisher gefallen mir schon sehr, man muss sich nur die Zeit nehmen/geben und experimentieren. Außerdem sollte man sich etwas Platz dafür schaffen – Gouache möchte etwas “mehr Raum” als zum Beispiel der kleine Aquarell-Reisekasten.
Ich mag das satte Matt der getrockneten Farbe, das Mischen der pastönsen Farbe und das man angetrocknete Farbe mit einem Spritzer Wasser aus der Sprühflasche wieder zum Leben erwecken kann. Nicht wie bei Acrylfarben, die einmal festgetrocknet unbrauchbar sind. Genauso übrigens auch die “Acryl Gouache” die es von mindestens einer Marke zu kaufen gibt. Dazu vielleicht demnächst mehr in einem Artikel über Farben als solches.
Multitalent Gouache
Alte Technik – neu entdeckt
Upgrade für Design und Illustration
Verlag Hermann Schmidt, Mainz
Autor Aljoscha Blau
ISBN 978-3-87439-916-6
Hardcover, Seiten 184, Format 21 x 24 cm
UVP 32,00 Euro
Einen sehr anschaulingen Blick ins Buch findet Ihr auf der Webseite des Verlages.
Zum Verlag
Schon einige Fachbücher (und Kalender!) des Verlag Hermann Schmidt finden sich in meinem Regal. Jedes hat auf seine Weise in der Wertigkeit überzeugt. Durch die Optik wie die Haptik – besonders natürlich durch die (Auswahl) der Inhalte. In jedem Buch steckt sehr viel Liebe zum Detail und lässt die viele Arbeit die Autoren, wie auch Lektoren und Verlag, in die Publikation stecken, erahnen.
Besonders gefällt mir ja die letzte Seite mit dem Impressum und daher möchte ich hier zitieren:
„Bücher haben feste Preise! In Deutschland hat der Gesetzgeber zum Schutz der kulturellen Vielfalt und eines flächendeckenden Buchhandelsangebotes ein Gesetz zur Buchpreisbindung erlassen. Damit haben Sie die Garantie, dass Sie dieses Buch überall zum selben Preis bekommen: Bei Ihrem engagierten Buchhändler vor Ort, im Internet, beim Verlag. Sie haben die Wahl. Und die Sicherheit. Und ein Buchhandelsangebot, um das uns viele Länder beneiden.“
Als kleiner Servicehinweis meinerseits: Beim Autor gibt es sein Buch sogar signiert mit personalierter Illustration… 😉
Meine Worte zum Thema „Werbung im Buch“
In meinen letzten Rezensionen hatte ich es angesprochen: Die Darstellung von konkreten Produkten in Büchern und Ratgebern und wie ich das sehe, vor allem seit dem Thema „Werbekennzeichnung in Social Media“, gesponserten Artikeln und so weiter. In diesem Buch werden auch sehr viele Artikel und Marken genannt, doch ist es nie nur eine. Es wird immer eine Auswahl an Künstlerbedarf dargestellt (gezeichnet mit Feder und Gouache), die jeweiligen Vorteile genannt im direkten Vergleich. Man hat dadurch nicht das Gefühl, der Autor hätte einen Sponsoring Vertrag mit Marke XY, sondern wie er sichbreit gefächert mit dem Angebot an Materialien, mit denen er arbeitet, beschäftigt.
Mehr Realität im Internet… Warum schon wieder keine schicken Blogfotos?
Dieser Blogartikel entstand inklusive Lesen und Nacharbeiten der Technik auf dem heimischen Sofa. Dank Erkältung und Bronchitis, gut eingepackt und mit Unmengen Tee versorgt, hatte ich immerhin viel Zeit mich damit zu beschäftigen. Entsprechend sind auch die Fotos alles andere als professionell entstanden – auf dem Sofa und ein paar am Küchenfenster. Das soll keine Entschuldigung sein, denn ich stehe dazu, dass das hier kein Hochglanz-Blog mit kleinem Fotostudio ist. Mir sind Inhalte wichtiger als top gestylte Bilder. Und mein Kater wichtiger als Kamera-Equipment und Foto-Props. Danke, dass es Euch hier trotzdem gefällt.
Konstanze meint
Was für ein toller Beitrag. Ich liebe Deine ehrlichen Worte und die wie Du sagst einfachen Bilder. Da ich es leid bin, dieses Höher, Weiter, Perfekter. Danke, Danke, das es Menschen wie Dich gibt mit einem gesunden Verstand.
Das Thema Gouache finde ich gerade sehr interessant.